In den meisten Städten gibt es sogenannte „Eltern-Initiativ-Kindertagesstätten“ oder "Kinderläden". In Berlin zum Beispiel gibt es über 600 – aber was bedeutet das eigentlich, und was sind die Vor- und Nachteile einer Elterninitiative?
Elodie Roux Heineck, die Gründerin einer bilingualen französisch-deutschen Elterninitiative in Berlin erzählt uns wie es alles funktioniert.
Elodie wurde in Frankreich geboren, zog 2007 nach Berlin und hat zwei Kinder mit ihrem deutschen Mann. Sie leitet Baby in Berlin, einen Service, der Expat-Familien hilft, sich während und nach der Schwangerschaft im deutschen System zurechtzufinden. Elodie bietet auch großartige Online-Kurse zu den Themen Baby-Papierkram und Kita-Suche in Berlin an.
Was ist eine „Elterninitiative“?
Eine Eltern-Initiativ-Kita ist eine Kita, die von den Eltern der dort betreuten Kinder selbst verwaltet wird. Die Eltern (und in einigen Fällen auch die Erzieher:innen) sind Mitglieder eines Vereins, der für den Betrieb der Kita verantwortlich ist. Begriffe wie Kinderladen oder EKT (Eltern-Kind-Treff) beziehen sich ebenfalls auf dasselbe Konzept.
Worin unterscheidet sich das Konzept von einer „regulären“ Kita?
In einer regulären Kita gibt es in der Regel ein dreistufiges System: die Leitung, die Erzieher:innen und die Kund:innen (Eltern und Kinder).
Die Leitung
ist verantwortlich für den reibungslosen Betrieb (z. B. genügend qualifiziertes Personal einstellen, neue Kinder aufnehmen, Catering organisieren).
Die Erzieher:innen
kümmern sich um die Kinder.
Die Eltern
nutzen die angebotenen Dienstleistungen.
In einer Eltern-Initiativ-Kita sind die Eltern nicht nur Kund:innen, sondern auch Manager:innen.
Das bedeutet, dass sie viele Entscheidungen selbst treffen können, was jedoch auch viel Arbeit und Verantwortung mit sich bringt. Wenn Erzieher:innen ebenfalls Mitglieder im Verein sind, haben sie manchmal eine Doppelrolle: Erzieher:in und Manager:in.
Wann und warum hast du Kitanelle Coccinelle gegründet?
Die Idee, eine Elterninitiative zu gründen, kam mir, als mein Sohn im September 2011 neun Monate alt war. Ich hatte geplant, nach einem Jahr Elternzeit wieder arbeiten zu gehen, aber die Realität der Kita-Krise wurde mir erst dann richtig bewusst. Ich musste meine Elternzeit um weitere acht Monate verlängern und ging erst im Sommer 2012 wieder arbeiten.
Ich dachte mir, ich könnte entweder all meine Energie darauf verwenden, einen Kita-Platz zu finden, oder selbst eine Kita gründen. Ich wollte schon immer etwas für die Gemeinschaft schaffen, das über mich hinaus Bestand hat – und es war eine großartige Erfahrung. Die Kita öffnete viel später als erwartet, im Februar 2013. Zu diesem Zeitpunkt ging mein Sohn bereits woanders hin, wechselte dann aber bald zum neuen Kinderladen.
Was wird von Eltern in einer Elterninitiative erwartet?
Innerhalb des Elternvereins gibt es meist zwei Hauptrollen: den Vorstand und die übrigen Eltern.
Der Vorstand
trägt die größte Verantwortung: neue Erzieher:innen einstellen, Buchhaltung, Konfliktmanagement und Kommunikation mit Behörden, um nur einige Aufgaben zu nennen.
Die restlichen Eltern
teilen sich verschiedene Aufgaben, wie z. B. Kochen, die Warteliste verwalten, Räume renovieren oder Praktikant:innen suchen. Jede Elterninitiative entscheidet selbst, wie die Aufgaben verteilt werden und ob sie ausgelagert werden sollen (z. B. Kochen, Putzen, Buchhaltung).
Für wen ist eine Eltern-Initiativ-Kita (nicht) geeignet?
Eine Elterninitiative ist ideal für Eltern, die sich für eine bestimmte Kita begeistern (viele EKTs haben interessante Konzepte wie bilinguale oder Montessori-Erziehung) und bereit sind, viel Zeit und Energie in den Betrieb der Kita zu investieren.
Bei uns sagen wir oft, dass Eltern im Vorstand etwa 10-15 Stunden pro Woche für die Kita arbeiten, und Eltern im Verein 2-3 Stunden pro Woche. Das ist eine beträchtliche Zeit und Eltern müssen darauf vorbereitet sein!
EKTs sind auch super für Eltern, die über ihre eigene Familie hinausdenken können. Man muss im Interesse der gesamten Kita handeln, nicht nur im Interesse des eigenen Kindes. Wenn man das nicht kann, ist eine EKT wahrscheinlich nicht der richtige Ort.
Eltern, die beide Vollzeit mit festen Bürozeiten arbeiten, viel Überstunden machen oder beruflich reisen, haben es oft schwer, den Anforderungen gerecht zu werden. Die Arbeit kann zwar meist außerhalb der Kita erledigt werden, aber sie bleibt trotzdem eine langfristige Verpflichtung, die über das Jahr der Elternzeit hinausgeht.
Was sind die Hauptvorteile und -nachteile?
Für mich ist die Gemeinschaft aus Familien und Freunden der größte Vorteil. EKTs sind oft klein, sodass man die anderen Eltern schnell kennenlernt. Außerdem verbringt man viel Zeit miteinander, z. B. beim Renovieren, Diskutieren und Planen. Dadurch entsteht ein starkes Netzwerk in der Nachbarschaft – Freundschaften, die wachsen und bleiben. Einige meiner besten Freunde in Berlin habe ich durch die Kita kennengelernt, und das gilt auch für meine Kinder.
„Mitbestimmung“ wird oft als Vorteil genannt. Aber eine EKT ist eine Demokratie, das heißt, die Mehrheit entscheidet. Eltern sollten nicht erwarten, dass alle ihre Wünsche erfüllt werden. Es ist wichtig, das größere Ziel im Blick zu behalten und nicht nur an die eigene Familie zu denken.
Ein Nachteil liegt oft in der Herausforderung, Konflikte zu lösen. Da die Rollen verschwimmen (Eltern sind Arbeitgeber:in und Kund:in), ist es manchmal nicht einfach, bei Konflikte zu vermitteln, z. B. zwischen Eltern oder zwischen Eltern und Erzieher:innen.
Wie können Eltern mehr erfahren und einen Platz bekommen?
In unserer Kita (Kitanelle Coccinelle) ist es so, dass wir die Bewerbungen zuerst über ein Online-Formular sammeln.
Ein paar Mal im Jahr halten wir dann einen Informationsabend ab, bei dem wir alles über die Kita erklären (Team, Gruppen, Aktivitäten, Kosten, Arbeitsaufwand etc.). Wir laden nur die Familien ein, deren Kinder zu unseren Kriterien passen (Alter, Geschlecht und Sprache – in unserer Kita müssen die Familien zu Hause schon Französisch sprechen).
Nach dem Abend entscheiden die Familien, ob sie weiterhin interessiert sind – es ist nicht ungewöhnlich, dass die Hälfte aufgrund des Arbeitsaufwands abspringt. Am Ende lädt der Vorstand die Familien ein, die am besten passen (Ganztags-Kitagutschein, Nähe zur Kita, Sympathie). Sympathie ist definitiv ein Faktor, da wir viel Zeit miteinander verbringen und gut miteinander auskommen müssen.
Jede Elterinitiative hat ihre eigenen Prozesse also erkundigt euch am besten, wie es bei der Elterinitiative abläuft, die ihr euch ausgeguckt habt.
Danke, Elodie, dass du uns dieses Thema nähergebracht hast!